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Mette Geschichte:   Fröhliche Weihnachten, du Gesegnete

eine Predigtreihe mit Bild und Chor



Lukas 1, 5-14+20

Zu der Zeit des Herodes, des Königs von Judäa, lebte ein Priester von der  Ordnung Abija, mit Namen Zacharias, und seine Frau war aus dem Geschlecht Aaron und hieß Elisabeth.

6 Sie waren aber alle beide fromm vor Gott und lebten in allen Geboten und Satzungen des Herrn untadelig.

7 Und sie hatten kein Kind; denn Elisabeth war unfruchtbar, und beide waren hochbetagt.

8 Und es begab sich, als Zacharias den Gottesdienst versah,

10 Und die ganze Menge des Volkes stand draußen und betete zur Stunde des Räucheropfers.

11 Da erschien ihm der Engel des Herrn und stand an der rechten Seite des Räucheraltars.

12 Und als Zacharias ihn sah, erschrak er, und es kam Furcht über ihn.

13 Aber der Engel sprach zu ihm: Fürchte dich nicht, Zacharias, denn dein Gebet ist erhört, und deine Frau Elisabeth wird dir einen Sohn gebären.

14 Und du wirst Freude und Wonne haben, und viele werden sich über seine Geburt freuen.

15 Denn er wird groß sein vor dem Herrn.

17 Und er wird vor ihm hergehen im Geist und in der Kraft  des Propheten, zu bekehren die Herzen der Väter zu den Kindern, zuzurichten dem Herrn ein Volk, das wohl vorbereitet ist.

19 Der Engel sprach zu ihm: Ich bin  Gabriel, der vor Gott steht, und bin gesandt, mit dir zu reden und dir dies zu verkündigen.

20 Und siehe, du wirst stumm werden und nicht reden können bis zu dem Tag, an dem dies geschehen wird, weil du meinen Worten nicht geglaubt hast, die erfüllt werden sollen zu ihrer Zeit.

21 Und das Volk wartete auf Zacharias und wunderte sich..

22 Als er aber herauskam, konnte er nicht mit ihnen reden; und sie merkten, daß er eine Erscheinung gehabt hatte im Tempel. Und er winkte ihnen und blieb stumm.

18 Und Zacharias sprach zu dem Engel: Woran soll ich das erkennen? Denn ich bin alt und meine Frau ist betagt.
19 Der Engel antwortete und sprach zu ihm: Ich bin Gabriel, der vor Gott steht, und bin gesandt, mit dir zu reden und dir dies zu verkündigen.
20 Und siehe, du wirst stumm werden und nicht reden können bis zu dem Tag, an dem dies geschehen wird, weil du meinen Worten nicht geglaubt hast, die erfüllt werden sollen zu ihrer Zeit.
21 Und das Volk wartete auf Zacharias und wunderte sich, dass er so lange im Tempel blieb.
22 Als er aber herauskam, konnte er nicht mit ihnen reden; und sie merkten, dass er eine Erscheinung gehabt hatte im Tempel. Und er winkte ihnen und blieb stumm.
23 Und es begab sich, als die Zeit seines Dienstes um war, da ging er heim in sein Haus.
24 Nach diesen Tagen wurde seine Frau Elisabeth schwanger und hielt sich fünf Monate verborgen und sprach:
25 So hat der Herr an mir getan in den Tagen, als er mich angesehen hat, um meine Schmach unter den Menschen von mir zu nehmen.
26 Und im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott gesandt in eine Stadt in Galiläa, die heißt Nazareth,
27 zu einer Jungfrau, die vertraut war einem Mann mit Namen Josef vom Hause David; und die Jungfrau hieß Maria.
28 Und der Engel kam zu ihr hinein und sprach: Sei gegrüßt, du Begnadete! Der Herr ist mit dir!
29 Sie aber erschrak über die Rede und dachte: Welch ein Gruß ist das?
30 Und der Engel sprach zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria, du hast Gnade bei Gott gefunden.




 

Predigt 1:  23. Dezember, Pfarrhaus in Frankfurt, Verheißung
 


Irgendwann fällt dir nichts mehr ein. Seit nunmehr 26 Jahren war er Pfarrer, zunächst in einer kleinen Dorfgemeinde, dann hier in Frankfurt St. Benedikt. Und nun fiel ihm nichts mehr ein. Immer noch im Dienst aber nichts mehr zu sagen. Zacharias, der Priester im Lukasevangelium, der durfte wenigsten noch schweigen, als ihm der Glaube abhanden gekommen war. Aber heute - eine Christmette, bei der der Pfarrer eine Stunde nur schweigt während die Gemeinde auf ein Wort wartet – undenkbar.

Doch zum Glück gibt es ja das Internet. www.predigtpreis.de, dann noch in der Suchfunktion eingeben  „Weihnachten" und schon hast du eine preisgekrönte Predigt, auch wenn dir nichts mehr einfällt.

Er las noch einmal die letzten Sätze: Dass Weihnachten das Fest der Liebe sei. Dass wir alle ein bisschen mitmenschlicher sein sollten und uns für den Nachbarn erwärmen, aber auch für die Hungernden in Afrika, für die Brot für die Welt sammelt. Dann kommt Frieden in unserer Leben.

Während er zeitgleich mit dem  Amen noch den Mausklick auf „Drucken“ machte  klingelte es Sturm.

Wer konnte das sein, um diese Zeit, kurz vor Mitternacht, einen Tag vor Heiligabend? Obdachlose und Durchreisende hatten die milde Gabe schon am Morgen geholt und wer sonst einen Pfarrer brauchte, der rief an.

„Gehst du vielleicht mal Nachschauen“ rief Lissi aus dem Schlafzimmer. „Ja, ich geh ja schon“, antwortete er mürrisch.

Er ging die Treppe hinunter und öffnete die Tür. Vor ihm stand eine zitternde und frierende Gestalt, viel zu dünn angezogen und nur die langen blonden Haare boten ein wenig Schutz vor der Kälte. Die Nase triefte. Das Gesicht war nach unten gebeugt. „Darf ich reinkommen?“

„Mein Gott Maja, wo kommst du denn her?“ Er hatte einen Augenblick gebraucht, um sie wiederzuerkennen. Sie musste jetzt etwa 16 Jahre alt sein. Das letzte Mal hatte er sie gesehen, da war sie 11. Seine Nichte aus Brotloch.

„Hab’s zu Hause nicht mehr ausgehalten“.

Er öffnete die Tür ganz: „Ja, jetzt komm erst mal rein.“  Sie gingen die Treppe hoch durch einen langen Flur in das Esszimmer.

„Ist ja noch alles so wie vor 5 Jahren,“ bemerkte sie. Nur das Bild  am Eingang war neu: "Gottes zweite Heimat der Mensch." Ob sie hier eine zweite Heimat finden würden? In  der Ecke stand schon der Weihnachtsbaum im vollen Schmuck, aber die Lichter brannten noch nicht. Vor 6 Jahren war sie mal eine ganze  Woche  hier gewesen bei ihrem Onkel Hans-Peter Levin, zur Kinderbibelwoche der Benedikt Gemeinde. Sie wusste die Geschichte von damals  noch genau: Josef der Träumer, der hatte erst einen buntern Rock an und dann war er in ein tiefes schwarzes Loch  gefallen oder hinein geworfen worden, … wie auch immer. Ende der Träume jedenfalls. Aber dann hatte er gebetet und es zum mächtigsten Mann  in Ägypten gebracht.

Jetzt war sie selbst in einem tiefen, schwarzen Loch. Ob das Beten was half?

„Jetzt setz dich erst mal“, sagte Hans-Peter, den sie alle nur Hape nannten. „Magst du einen Tee?“

„Ok“.

„Was führt dich denn hier her?"

„Hab’s nicht mehr geschafft, euch einen Weihnachtsgruß zu schicken, da dachte ich mir, bringe ich ihn halt persönlich“. Genau genommen hatte sie auch das letzte Jahr und das davor keinen Weihnachtsgruß geschrieben, kein Anruf, keine Karte, nichts.

Während er den Tee aufsetzte musterte er sie aus den Augenwinkeln. Es musste sie eine ziemliche Überwindung gekostet haben, hier einfach so aufzukreuzen, eine Stunde vor Mitternacht.

„Mit Zucker?“ „Ja, bitte“. „Na auf den Weihnachtsgruß da bin ich gespannt – dünn bekleidet und nichts in der Hand, aber irgendwo noch eine klitzekleine Überraschung, stimmst?“

„Sie ist hier“. Maja deutete auf ihren Bauch.

„Was heißt das – hier?“

„Ich bin schwanger – kann ich bei euch bleiben?“

„Ja also, .. hm … heute Nacht, ja  und  morgen …“ es gelang ihm kaum, seine Verlegenheit zu überspielen.

„Hab mir halt gedacht, ist vielleicht besser als die Babyklappe. Tante Lissi hat sich doch immer so ein Kind gewünscht und du doch auch, na ja , … und jetzt,  also: hier ist es!.“

Ihm fiel die Kinnlade herunter. „Ja natürlich  haben wir uns immer ein Kind gewünscht, aber so, ... ich meine, dass du mit 16 Jahren… Was ist mit deiner Mutter und was sagt dein Vater und dann  gibt es da ja wohl irgendwo noch einen Mann in deinem Leben. Wir haben leider nicht mehr viel Kontakt mit deinen Eltern  seit der Trennung.“

„Babsi“ – sie nannte ihre Mutter nur mit Vornamen - „Babsi, na die ist fast ausgerastet. War ja schon ständig Stress wegen der Schule. Oder wenn ich abends mit Hasan und den anderen mit den Mopeds los bin. Die hat mich total runter gemacht. Vor allem wegen Hasan, den hat sie auf dem Kieker.  Bloß weil er keine Lehrstelle hat und Türke ist. Dabei ist ihr neuer Lover auch nur so ein Ami-Schleimer. Mit dem versteh ich mich überhaupt nicht.“

„Und dein Vater?" „Ok, Wochenende alle vierzehn Tage, … der hat irgendwie gedacht, ich geh als Jungfrau in die Ehe. Na ja, hat’s dann kapiert. Hat sich sogar mal wieder mit Babsi getroffen wegen dem Kind. Also nach zwei Jahren Rosenkrieg und einem Jahr Funkstille haben die beiden doch tatsächlich festgestellt, dass man ja auch miteinander reden kann. So direkt, einer mit dem anderen, wo sie doch sonst nur immer übereinander geredet haben, meist über mich. Na ja, das haben sie diesmal eigentlich auch - über mich  geredet, als dem letzten gemeinsamen Beziehungspunkt  und dabei festgestellt, dass sie auch mal mit mir reden müssten - gemeinsam. Was so ein Kind doch alles bewirkt.

War ja schon mal was: Babsi und Bernd, das Ex-Traumpaar von Brotloch, die reden mal wieder miteinander und mit mir, so ganz vernünftig: Also der Fötus da…, und …  ich soll doch mal überlegen, wegen Ausbildung und Schulabschluss und was ich mal werden will, weil ohne Mittlere Reife bist du nichts oder noch schlimmer als Nichts, da bis du Harzt IV. Also jedenfalls, sie gehen mal mit mir zu ´ner Beratungsstelle.“

„Und warst du da?“

„Ich bin ja ein braves Kind, manchmal jedenfalls, und wenn meine Eltern es tatsächlich schaffen, mal wieder vernünftig miteinander zu reden und sich sogar die Hand drücken, da muss ich ja auch mal vernünftig sein. Der Termin für das Ende von Benedicte ist am 7. Januar. Es ist nur ein kleiner Eingriff.“

Eine Träne rann über ihr Gesicht.

„Benedicte?“ – „Ja, so haben wir sie genannt: Benedicte, die Gesegnete. Es war wegen Barack. Barack Obama. Das heißt doch auch: der Gesegnete. Und es war diese Halloweenparty als er die Wahl gewonnen hat. Ich meine, seine  Eltern waren doch auch geschieden, Hautfarbe schwarz, und er ist jetzt Präsident, bringt Schwarz und Weiß zusammen, Amerika und Afrika,   …und unser Kind - na, ja immerhin hat es schon mal Babsi und Bernd zusammengebracht. Das ist zwar noch nicht die Welt, aber schon mal ein Anfang.

Na ja, und dann kam die Sache mit den Weihnachtskarten.

Benedicte -  da ist mir wieder eingefallen, dass ihr ja immer noch in der Gemeinde St. Benedikt seid und ich euch ja auch mal wieder ne Weihnachtskarte schreiben könnte. Hab dann auch eine gefunden mit einem Engel drauf, und da kam mir diese Idee, dass ihr euch ja schon so lange  ein Kind wünscht und es irgendwie nie geklappt hat und…., na ja:. Hier ist es!“

Die Tür öffnete sich und Lissi kam herein.

„Maja, mein Gott, was für ein Besuch. Ich hoffe es ist nichts Schlimmes passiert und Hape hat dir einen guten Tee gemacht.“

„Nein, nichts Schlimmes, nur eine kleine Überraschung“, sagte Hape.

Lissi blieb bei ihm stehen. „Du musst entschuldigen, dass ich hier am späten Abend noch im Morgenrock herumlaufe, aber der Doktor Balthasar hat mir viel Ruhe verordnet und Liegen, wegen dem hier...“ Sie umfasste ihren schon recht runden Bauch mit den deutlichen Anzeichen einer weit vorgeschrittenen Schwangerschaft. „Wir sind so glücklich. …  Hape, kannst du mir mal gerade bei den Kompressionsstrümpfen helfen? - Dann komme ich dazu.“

„Einen kleinen Augenblick, Maja“.

„Ich verstehe.“ Er hörte ihre Worte noch, sah aber ihr Gesicht nicht mehr, als er mit Lissi ins Schlafzimmer ging. Es dauerte etwas, die Strümpfe zu wechseln. Als er zurück kam war Maja verschwunden.

Er rannte die Treppe hinunter. „Maja“. Er folgte den Spuren im Schnee in die Dunkelheit: „Maja’“.

Sie stand an einen Baum gelehnt und weinte. „Maja“, er nahm sie in die Arme und sie drückte sich an ihn. „Ist schon gut, war ja nur so eine Idee. Aber so ist es ja nun noch besser für euch, für dich und Lissi. Ich will mich da nicht reindrängen. Ich rufe Bernd an, dass ich jetzt doch Weihnachten bei ihm verbringe und er mich abholen kann.“

„Nein warte, komm erst mal wieder mit ins Haus, ich muss dir noch was erzählen.“

Sie redeten miteinander. Sie gingen die Treppe hoch, vorbei an dem Plakat „Gottes zweite Heimat - der Mensch“. Im Fenster erschien die Skyline von Frankfurt. Aus dem Wohnzimmer erklang Musik.

„Komm rein und hör dir  das an.“ Er führte sie zum Sessel in der Mitte des Zimmers „Mit der Surroundanlage denkst du, du sitzt mitten drin in der Kirche und hörst und siehst es tatsächlich: Mein Lieblingschor, die Kirchenmäuse aus Wachenbuchen… Er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen – und ich befehle dir jetzt mal hier sitzen zu bleiben und zu warten solange der Chor singt, ich muss noch kurz was mit Lissi besprechen..“



Chor „die Kirchenmäuse" singt: "Er hat seinen Engeln befohlen ... "



Diesmal war sie sitzengeblieben. Während Maja noch dem Chor zuhört, hatte Hape Lissi auf den letzten Stand der Dinge gebracht. Nun kamen sie beide ins Wohnzimmer zurück. „Maja, wir möchten dass du bleibst. Die beiden Kinder gehören zusammen. Es ist auch bei Lissi längst noch nicht  alles klar. Weißt du wie viele Versuche wir schon hatten und wie viele Fehlgeburten? Wir sind sehr dankbar für eine tüchtige Reproduktionsmedizinerin vom Kinderwunschzentrum. Die hat uns erstmal weitergeholfen. Aber das Kind ist noch nicht geboren.

Das eigentliche Problem liegt im Kopf.  Die Angst, immer wieder die Angst, und dann verkrampfst du dich. Du willst es unbedingt und gerade deswegen geht es schief. Vielleicht bist du jetzt der Engel, der uns sagt: Fürchtet euch nicht. Vielleicht bist du die zweite Option. Ich meine: Mit dir bekommen wir ja nun so oder so ein Kind, da können wir doch ganz beruhigt sein und der Krampf löst sich. Vielleicht brauchen wir das überhaupt mal hier in Pfarrhaus und Kirche: unverkrampftes Leben. Ich bitte dich: bleib.“

„Ja, wenn ich hier nicht die Jungfrau Maria spielen muss.“ antwortete Maja mit leicht widerspenstigem Unterton. „Die bin ich nämlich nicht. Aber ich kann’s ja  mal für drei Monate probieren. … Ist jedenfalls besser als mit Babsi und ihrem neuen Lover unterm Tannenbaum zu sitzen und „Ihr Kinderlein kommet“ zu singen, wo  doch im Januar schon wieder alles vorbei ist mit den Kinderlein. ... Und der Rest,  ich meine das mit den Erziehungsberechtigen und Schule und all das,  wie soll das gehen?“

„Ich werde mit meiner Schwester reden“, sagte Lissi. Irgendwann sollten wir ja doch mal wieder zusammenkommen, so wie früher, bevor diese blöde Erbsache kam.“

Als ihr Vater starb, da war die Sache losgegangen, wegen dem neuen Testament, das der Vater gemacht hatte. Ob es gültig sei oder nicht, oder war es eher die Frage, wen der Vater wohl mehr geliebt hatte von den beiden Schwestern. Jedenfalls war die Sache vor Gericht gegangen. Anwälte hatten in Gesetzesbüchern gewälzt. Ergebnis: Den Prozess gewonnnen, die Schwester verloren.

„Ist doch jetzt eigentlich egal, ob ich im Recht bin oder nicht. Ich werde mich entschuldigen, nicht mehr auf der Gültigkeit des Testaments bestehen und Asche auf mein Haupt streuen.“ Sie griff zum Telefon. „Hallo Babsi, hier ist Lissi – und leg bitte jetzt nicht gleich wieder auf, weil … Maja ist hier bei uns.“

„Komm“, sagte Hape, „gehen wir ins Esszimmer, lassen wir die jetzt erst mal in Ruhe miteinander reden.“

„Aber ich bin nicht die heilige Jungfrau Maria“, wiederholte Maja.

„Ich weiß“, antwortete Hape, „du bist ein schwieriges pubertierendes Mädchen, das nie macht was es soll, über alles diskutieren muss, grundsätzlich erst mal protestiert und natürlich viel zu jung ist für ein Kind. Wenn ich die Geschichte recht sehe,  dann wirst du nach drei Monaten wieder aufbrechen nach Brotloch, die Stadt deiner Eltern, mit Hasan oder Yussuf oder sonst wem. Sie werden aber  keinen Platz in der Herberge haben, denn da ist jetzt der neue Lover, den du nicht magst,  und sie werden dir das Bett vor die Tür stellen.

Dein Appartement vom Sozialamt wird mehr Stall als Wohnung sein und Ochs und Esel werden dir Gesellschaft leisten. Ab und zu werden ein paar ziemlich durchgedrehte Hirten auf ihren Mopeds vorbeischauen und einen Packen Pampers mitbringen. Aber das Kind wird leben - und wir wären gerne die Paten.“



Zwölf Schläge, die Turmuhr schlug Mitternacht. „Hörst du, ein neuer Tag beginnt, der 24. Dezember. Fröhliche Weihnachten, Maja.“

„Fröhliche Weihnachten Hape.“

„Und“- sie legte die Hand auf ihren Bauch – „fröhliche Weihnachten, Benedicte.“


 
Lukas 2, 1

Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde.
2 Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war.
3 Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeder in seine Stadt.
4 Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids war,
5 damit er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger.
6 Und als sie dort waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte.
7 Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.
8 Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde.
9 Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr.
10 Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird;
11 denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.
12 Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.
13 Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen:
14 Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.
15 Und als die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Lasst uns nun gehen nach Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat.
16 Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen.
17 Als sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, das zu ihnen von diesem Kinde gesagt war.
18 Und alle, vor die es kam, wunderten sich über das, was ihnen die Hirten gesagt hatten.
19 Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen.
20 Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.



Rembrandt: Die Anbetung der Hirten
 

Predigt 2: 24. Juni, Hütte in Südafrika, Geburt



„Wirklich toll“, keifte Maja, „alles voll in der Stadt, wir kurven hier schon stundenlang im Busch herum, es ist Donnerstag der 24., es ist dunkle Nacht, ich bin schwanger, weiß der Himmel warum und du hast vergessen ein Hotel zu buchen, wirklich toll.“

„Entschuldigung“ entgegnete  Jo,  „stundenlang ist ja wohl masslos übertrieben, außerdem hättest du dir ja von deinem Onkel Hape auch mal eine bessere Wegbeschreibung geben lassen können.“

Fakt war jedenfalls. Es war der Donnerstag der 24. Juni 2010, es war Fußballweltmeisterschaft in Südafrika. Da ist es also gerade Winter und hier auf über 1000 m Höhe im Landesinneren auch ziemlich kalt.  In Rustenburg, der kleinsten unter den  Spielstädten, waren alle Hotels und Herbergen komplett ausgebucht. Dänen und Japaner, trafen heute im letzten Vorrundenspiel im Royal Bafokeng Stadion  aufeinander.  Aber auch Engländer und Deutsche waren schon angereist für das Achtelfinalspiel am kommenden Samstag, dem 26. Und so machte sich auch auf Jo, der eigentlich Jonathan hieß,  aus Deutschland, aus der Stadt Maintal mit  Maja, seiner Freundin, die war schwanger.

Es war ein Gebot von Kaiser Franz ausgegangen, dass alle Welt die WM in Südafrika besonders schätzen sollte.  Noch vielmehr aber war es die eigene Fußballbegeisterung, die die Beiden hierhergebracht hatten.  Ein bisschen Verrücktheit gehörte wohl auch dazu und das Glück, zwei Karten für das Spiel ergattert zu haben. Andere würden es Leichtsinn nennen. Aber das Kind hatte sich  bisher auch so leicht gemacht, als wolle es ganz unbemerkt auf diese Welt kommen. Keinerlei Komplikationen, nicht die kleinste Übelkeit  und Termin war auch erst im August.

Nun standen sie hier vor ihrer letzten Hoffnung. "Bed and breakfast" stand am Haus, aber als sie fragten war es doch nur noch breakfast gewesen aber kein Bett.

Dann  hatte Maja die Idee gehabt mit Onkel Hape. Der war Pfarrer in der Benediktgemeinde in Frankfurt und vor Jahren mal für die Ausbildungshilfe der Lutherischen Kirche hier in Südafrika tätig gewesen. Onkel Hape, Majas letzte Rettung. Sie wählte die Nummer auf ihrem Handy. Am anderen Ende meldete sich  Lissi, seine Frau.. „Maja, mein Gott, wo steckst Du?“ „Tja also, hm…. „, ziemlich verlegen stotterte sie: „In Rustenburg in Südafrika – und  wir haben hier ein Problem …“  „Bist du verrückt,“ schimpfte Lissi, „in deinem Zustand…"

Dann endlich rief sie Hape, die Vorwürfe wiederholten sich und endlich: „Wo steht ihr jetzt?“ „In Rustenburg, in  der Lucasstraße, vor irgend so einem Sportfeld“.

„Jetzt hör mal gut zu, Maja. Notier jetzt bitte die folgende Adresse und Telefonnummer. Das ist die vom Church Center der Western Diocese  in Thlabane. Das ist nicht weit von euch. Warte bitte noch mal 5 Minuten. Ich kündige euch schon mal an und  melde mich dann wieder....."

Es dauerte etwas länger als 5 Minuten, aber dann kam der erlösende Anruf: „Ihr  könnt dort im Church Center erstmal unterkommen. `Yes, they are welcome´, hat der Bischof gesagt. Es ist nur eine kurze Fahrt in das ehemalige Township zwischen Rustenburg und Pokeng. Aber ihr sollt euch beeilen. Auch der Bischof will Fußball gucken."



Irgendwo mussten sie falsch abgebogen sein, und dann war hier auch nirgendwo ein Wegweiser. In der einbrechenden Dunkelheit  versuchte Jo auf die R24 zurückzukommen.

„Weißt du eigentlich warum Moses 40 Jahre durch die Wüste irrte?“ zischte in Maja an. „Ne, warum denn?“ „Ein Mann fragt nicht nach dem Weg.“  „Ha, ha, - der ist alt – aber siehst du hier irgendjemand, den ich noch fragen könnte?"

Waren vor einer Viertelstunde noch überall  Menschen gewesen, so war die Welt jetzt wie ausgestorben. Keine Menschenseele mehr da.  Es ist nämlich 8.00 Uhr abends. In wenigen Minuten soll in Kapstadt das Spiel Holland gegen Kamerun beginnen.  Aber es ist mehr als Holland gegen Kamerun. Es ist Afrika gegen Europa, Schwarz gegen Weiß.

Alle afrikanischen Mannschaften sind bereits ausgeschieden - vorgestern  Südafrika, gestern Ghana. Nur Kamerun ist noch drin, und ausgerechnet heute am 24. ist das Schicksalsspiel  gegen Holland, das Land wo die Buren herkamen, die Verantwortlichen für die Apartheid. Große Spannung liegt in der Luft, aber auch die Angst, dass alte Rassenkonflikte sich erneut entladen.



Im Scheinwerferlicht ihres Autos tauchen  vor ihnen auf dem Weg  zwei Gestalten auf und winken ihnen anzuhalten. Ein Ast liegt quer. Jo tritt auf die Bremse und dann geht alles rasend schnell. Das Auto steht. Die Türen rechts und links werden gleichzeitig aufgerissen. Jo und Maja spüren ein Messer am Hals. Sie öffnen den Gurt, werden herausgezogen. Ein dritter hat den Ast weggeräumt. Die zwei steigen vorne ein, der dritte hinten. Die Türen schlagen zu. Der Motor heult auf. Das Auto braust in einer Staubwolke davon.



Maja und Jo bleiben am Wegrand liegen. In der Ferne verklingt das Motorengeräusch. Dann ist es still, ganz still - stille Nacht. „Maja“, Jo läuft zu Maja. Hält sie, drückt sie.  „Oh shit“,  Maja stößt einen Schrei aus. „Was ist, bist du verwundet?“ „Nein, aber das Kind  kommt. Wir brauchen Hilfe.“ Doch in dieser Nacht kommt der barmherzige Samariter nicht. Der guckt nämlich auch gerade Fußball.



Langsam gewöhnen sich die Augen an die Dunkelheit. Es ist als ob der Himmel immer  näher kommt. Immer mehr Sterne sind da, fast zum Greifen. Da ist ein Stern. Maja nimmt ihn jetzt zum ersten Mal bewusst wahr. Eigentlich ist es ein Sternbild. Es ist schon immer dagewesen, aber sie hat es noch nie zuvor gesehen.



Jo schaut mit ihr in die gleiche Richtung: „Das Kreuz des Südens – sieht man nur auf der Südhalbkugel.“  „Das Kreuz des Südens“ – wiederholt Maja – „gibt es hier eigentlich eine Notrufnummer?“  „Bestimmt“  antwortet Jo, nur ist das Handy mit dem Auto weg. „Aua“, stöhnt Maja, „das Kind“. Es hat sich im Klang ihrer Stimme etwas verändert. „Dann hilft nur beten“. „Mein Gott, und wie geht das jetzt?“ fragt Jo. Sie schweigen ein Weile. Dann spürt er fast Majas Lächeln. „Es ist Weihnachten“, flüstert etwas in ihr, „Weihnachten auf der Südhalbkugel.“ „ Es ist Weltmeisterschaft“ sagt Jo „und deshalb fährt in den nächsten zwei Stunden, hier nirgends ein Auto.“  „Es ist Weihnachten, Jo. Hier ist jetzt Weihnachten. Warum sollen sich eigentlich die Menschen hier im Süden nach unseren europäischen Jahreszeiten richten, im Dezember bei 30 Grad im Schatten unterm Christbaum sitzen? Jesus wurde in der längsten Nacht und im letzten Stall geboren, und die längste Nacht, das ist gerade jetzt - jedenfalls hier im Süden“.

„Und nun?“  „Komm, wir suchen  den Stall!“

„Und wo?“ „Na dem Stern nach, dem Kreuz des Südens.“

„Ein Stall für den zukünftigen Weltmeister!“



Mühsam schleppen sie sich die Straße entlang. Die Wehen werden stärker.  Da ist irgendwo das Licht einer Hütte. Sie gehen darauf zu. Die letzten Meter muss er sie fast tragen. „Help, Hilfe, bitte helfen sie  uns!“ Eine Frau öffnet.  Maja bricht unter dem Schmerz einer heftigen Wehe vor ihr zusammen. Ein Schwall Fruchtwasser ergießt sich in die Hütte.

Die Frau ist, wie sie später erfahren, Dineo Modisane. Ihr Mann ist vor 2 Jahren verstorben. Rose, ihre Tochter, hat Aids, und sie pflegt sie notdürftig hier. Sie hat noch drei weitere Kinder, die irgendwo in der Nacht da draußen sind. Dineo versucht zu tun, was sie kann. Rose ist zu schwach, um Hilfe zu holen. Das Guthaben auf dem Handy, ihrem einzigen Luxus - es ist verbraucht.

Und sie brauchen Hilfe. Da klingelt das Handy von sich aus, oder vielmehr es dudelt seine Melodie „Come and go". Für Maja klingt es  wie eine Mischung aus Engeln und Mäusen.



Chor „die Kirchenmäuse" singt: Come and go.    



„Scheiße, die Bullen“, ruft Masego noch, und dann ist  es zur Flucht auch zu spät. Grelles Licht leuchtet auf.  Eine Maschinenpistole ist auf sie gerichtet.  Jeder von den Dreien weiß, was ihn jetzt erwartete. Sie sitzen in einem geklauten Auto, noch mit dem Gepäck des Paares, das sie in der Nacht zurückgelassen haben, weit weg vom nächsten Ort.

Die Polizei hat ausgerechnet in diesen Tagen den Ehrgeiz, die ausufernde Kriminalität im Land einzudämmen. Es ist eine Frage des Nationalstolzes. Die Welt zu Gast, sie soll sicher sein in  Südafrika. So also sitzen sie in der Falle,  und sie wissen das.  

Masego  hat noch das Handy in der Hand, das sie im Auto gefunden haben. Instinktiv wählt sie die Nummer ihrer Mutter. Wenigsten noch schnell zu Hause Bescheid sagen, ehe sie für eine Weile im Knast verschwinden, ihre Mam wieder hungert und die Schwester ohne  Medikamente ist.  „Roballa sentle mam. Komm Mam, geht schon ran!“  Sie klammert sich fest an das kleine Gerät:. „Tut mir leid Mam ...“

„Papiere …  Aussteigen!“  Die Polizisten durchsuchen das Auto mit dem Gepäck von Jo und Maja.  „Na da braucht ihr jetzt aber eine gute Geschichte, um uns das zu erklären“, dröhnt einer der Polizisten.



„Tor! Tor! Kamerun führt 2:1!".  Die Stimme im Radio überschlägt sich. Einer der Polizisten dreht es lauter: „Unglaublich,  in der 76. Minute geht Kamerun mit 2:1 in Führung, und was für ein traumhafter Treffer: ein weiter und hoher Pass fast über das gesamte Feld und dann  aus 20 Meter genau ins linke obere Eck - Tor."  Afrika jubelt.



Die frohe Botschaft unterbricht das Verhör. Auch Polizisten sind fußballbegeistert. Das Tor stimmt sie für einen Augenblick gnädig. Es  lässt Diebe und Polizei für den Moment zu einer afrikanischen Gemeinschaft verschmelzen, doch eben  nur für einen Moment.

„Na, dann erzählt mal, wo ihr das Auto her habt."

Masego hat die ganze Zeit im Hintergrund telefoniert. Ein Leuchten geht über ihr Gesicht. Vielleicht ist das die Rettung. Sie nimmt all ihren Mut und ihre schauspielerischen Fähigkeiten zusammen, damit die Polizei glaubt, was sie sich jetzt zusammenreimt. Nur die anderen beiden müssen ihren Mund halten.  „Habt keine Angst“, zwinkert sie ihnen zu, „lasst mich mal erzählen“. Und dann zu dem Polizisten: „Ein  Kind ist uns geboren. Ganz plötzlich. Von den beiden denen dieses Auto gehört. Es hat sie bei unserem Haus überrascht. Sie haben uns das Auto gegeben, damit wir Hilfe holen. Unsere Mutter kümmert sich zurzeit um sie. Ihr könnt euch selbst überzeugen. Ihr werdet finden ein Kind in Windeln gewickelt in unserem Haus.“



„Klar“, sagt der Polizist „ein Sohn ist euch geboren. Er liegt in einer Krippe, ihr seid die Hirten und ich bin der Weihnachtsmann. – Ne Mädchen, da muss du uns schon eine bessere Geschichte erzählen.“

Masego  hat immer noch das Handy und fleht zum Himmel, dass der Akku  hält. Dann  ruft  sie mit einer Begeisterung und einem Selbstbewusstsein als hätte sie selbst das 2:1 geschossen: „Es gibt keine bessere Geschichte! Bitte hier, überzeug  dich doch, du Weihnachtsmann!“ und damit drückt sie ihm das Handy ans Ohr.  Unser Name ist übrigens  Modisane, was tatsächlich soviel heißt wie Hirte, aber das Kind ist ein Mädchen.



So sieht man nun die drei Modisane-Hirten eskortiert von zwei Polizeiautos zu einer Wellblechhütte fahren. Und sie finden Maja und Jo und dazu das neugeborene Kind, notdürftig in Windeln gewickelt. Dineo weiß nicht mehr, wen sie zuerst umarmend soll vor Freude. Ihre schon verloren geglaubten Kinder, oder Maja und Jo, die die ganze Geschichte von Masego bestätigen und sie so vervollständigen, dass sie zur reinen Wahrheit wird.  Dann ist da auch noch Benedicte, die Neugeborene dieser Heiligen Nacht, die Bullen, die so verwundert da stehen als wären sie der Ochse im Stall, Rose, die für einen Augenblick ihre tödliche Krankheit vergessen kann, und über der Hütte leuchtet das Kreuz des Südens.

Vielleicht werden  später auch noch der Botschafter von Dänemark und  der Außenminister von Japan auf ihrem Rückweg vom Bafokeng  Stadion an der Hütte vorbei kommen.

Aber nur vielleicht, denn es soll nicht zu fantastisch werden. Das Kind steht schließlich für einen Gott mit Bodenhaftung.

„Na denn also, baka morena und Frieden auf Erden“  verabschiedet sich die Polizei. Wir schicken eine Hebamme vorbei.



Das Fußballspiel war in der  Hütte zur Nebensache geworden.

Drei Jugendliche feierten ihre Freiheit, eine Todkranke ihr neues Leben. Sie hatten Ihren Weltmeister.

Endlich, nach langen Augenblicken des Staunens und Wunderns fragte Nkwane. „Wie ist eigentlich das Spiel am Kap der guten Hoffnung ausgegangen?“.

„Na wie schon“, antwortete Masego, die immer am besten informiert war,  „Kamerun hat gewonnen. Afrika ist im Achtelfinale. Wir werden Weltmeister.“ Und alle im Chor „Joy to the world.”



Chor „die Kirchenmäuse" singt: Joy to the wolrd

 

 
Lukas 2,
22 Und als die Tage ihrer Reinigung nach dem Gesetz des Mose um waren, brachten sie ihn nach Jerusalem, um ihn dem Herrn darzustellen,
23 wie geschrieben steht im Gesetz des Herrn (2.Mose 13,2; 13,15): »Alles Männliche, das zuerst den Mutterschoß durchbricht, soll dem Herrn geheiligt heißen«,
24 und um das Opfer darzubringen, wie es gesagt ist im Gesetz des Herrn: »ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben« (3.Mose 12,6-8).
25 Und siehe, ein Mann war in Jerusalem, mit Namen Simeon; und dieser Mann war fromm und gottesfürchtig und wartete auf den Trost Israels, und der Heilige Geist war mit ihm.
26 Und ihm war ein Wort zuteil geworden von dem Heiligen Geist, er solle den Tod nicht sehen, er habe denn zuvor den Christus des Herrn gesehen.
27 Und er kam auf Anregen des Geistes in den Tempel. Und als die Eltern das Kind Jesus in den Tempel brachten, um mit ihm zu tun, wie es Brauch ist nach dem Gesetz,
28 da nahm er ihn auf seine Arme und lobte Gott und sprach:
29 Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren,
wie du gesagt hast;
30 denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen,
31 den du bereitet hast vor allen Völkern,
32 ein Licht, zu erleuchten die Heiden
und zum Preis deines Volkes Israel.
33 Und sein Vater und seine Mutter wunderten sich über das, was von ihm gesagt wurde.
34 Und Simeon segnete sie und sprach zu Maria, seiner Mutter: Siehe, dieser ist gesetzt zum Fall und zum Aufstehen für viele in Israel und zu einem Zeichen, dem widersprochen wird
35 – und auch durch deine Seele wird ein Schwert dringen –, damit vieler Herzen Gedanken offenbar werden.
36 Und es war eine Prophetin, Hanna, eine Tochter Phanuëls, aus dem Stamm Asser; die war hochbetagt. Sie hatte sieben Jahre mit ihrem Mann gelebt, nachdem sie geheiratet hatte,
37 und war nun eine Witwe an die vierundachtzig Jahre; die wich nicht vom Tempel und diente Gott mit Fasten und Beten Tag und Nacht.
38 Die trat auch hinzu zu derselben Stunde und pries Gott und redete von ihm zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten.
39 Und als sie alles vollendet hatten nach dem Gesetz des Herrn, kehrten sie wieder zurück nach Galiläa in ihre Stadt Nazareth.
40 Das Kind aber wuchs und wurde stark, voller Weisheit, und Gottes Gnade war bei ihm.


 

Predigt 3: 25. Dezember, Kirche in Frankfurt, Taufe

 
In Frankfurt, Gemeinde St. Benedikt, hatte Lissi mittlerweile ihr Kind geboren: Irene Levin – Irene, zu deutsch heißt das Frieden, Frieden den Levins, Frieden der Welt. Hapes Zunge hatte sich wieder gelockert. Der Beruf machte wieder richtig Spaß, auch wenn der Schlaf des Nachts häufiger unterbrochen wurde: Windeln wickeln, Fläschchen geben. Leider hat es mit dem Stillen nicht so geklappt, aber dafür konnte der Vater nun auch häufiger das Kind versorgen.
Die Frankfurter Allgemeine Rundschau verkündete die frohe Botschaft: 24. März 2010,  Irene ist da – unsere Goldmarie. Die Glücklichen Eltern Hans-Peter und Elisabeth Levin.
Zu Ostern, am 4. April war das Kind zu Hause. Ihre lange Passionszeit war zu Ende. Am Pfingstmontag, dem 24. Mai sollte die Taufe sein - auf dem Gemeindefest von St. Benedikt.
So lange Jahre hatten sie gewartet. Es war wie ein Wunder vor ihren Augen, und alle sollten das Glück nun mit ihnen teilen. Der Propst hatte sich angesagt. Babsi, Majas Mutter, sollte Taufpatin werden, nach der erfolgreichen Aussöhnung zwischen den Schwestern. Irene - das war das Band des Friedens in der Familie.
Maja hat ihr Erscheinen zugesagt, auch wenn sie zu dieser Zeit noch etwas Stress hatte weil Jo unbedingt zur Fußballweltmeisterschaft nach Südafrika wollte. „Melde mich für den hohen Feiertag zur Taufe an“,  simst sie. „Darf ich sie über Wasser halten?“ Irene Marie -himmlischer Frieden.

Und dann das: Das Kind hört nicht auf zu schreien. Sie wiegen es hin und her, aber da schmerzt etwas. Untersuchungen beim Kinderarzt, Kinderklinik – irgendetwas ist mit dem Kopf nicht in Ordnung. „Das wäre wahrscheinlich mit Präimplantationsdiagnostik nicht passiert“, sagt Frau Doktor Baltasar. Aber jetzt ist es so.

3. Juni 2010, Fronleichnam, Spezialklinik Berg Marias:. Durch den kleinen Park tragen sie die Tochter hinauf auf die Station. Therapien Operationen, Hoffen, Warten, Bangen und nachts immer wieder dieser schreckliche Traum. Hape hat die biblische Geschichte so oft erzählt. Diese Stimme: "Abraham" ruf sie, "Abraham". Aber jetzt im Traum ruft sie: „Hape, Hape“, und er schrickt auf: „Hier bin ich“: „Hape, nimm Irene, dein einziges Kind, das du liebhast, und geh in das Land Morija und opfere sie dort zum Brandopfer auf einem Berge, den ich dir sagen werde…“. Er wacht auf aus dem Traum.

Lissi im Krankenhaus Berg Marias schrickt zur selben Zeit auf. Das alte Gelübde lässt sie nicht los: „Herr der himmlischen Heerscharen, wirst du deiner Magd ein Kind geben, so soll es dir gehören ein Leben lang.“

Es wird Herbst. Wie die Blätter vom Baum, so fallen immer mehr Gehirnfunktionen aus. Die Ärzte machen keine Hoffnung mehr. 16. November 2010, Opferfest: Abraham soll sein Kind hergeben. Der Hirntod wird festgestellt. Apparate halten die Organe noch funktionsfähig. Hape und Lissi müssen eine schwerwiegende Entscheidung treffen. Sie hoffen immer noch, dass in letzter Sekunde doch noch der Engel des Herrn erscheint: „Hape, Lissi, tut dem Kind nichts an!“ Aber da ist kein Engel.
Es tut so weh. Nur noch einmal die Zeit anhalten, ihr Kind berühren, Abschied nehmen von Irene. Dann geben sie ihre Einwilligung zur Organtransplantation – Nieren, Herz und Lungen werden entnommen.

21. November, Totensonntag: Hape verliest im Gottesdienst die Namen der Verstorbenen. Irene-Marie Levin - weiter kommt er nicht. Kein „Vater unser“, kein Segen mehr in St. Benedikt. Zwei Kirchenvorsteher begleiten ihn hinaus.
Für die folgenden Wochen werden Kollegen den Dienst übernehmen. Keine Adventszeit, kein Heiligabend, das ist ihm alles zuviel. Er braucht Ruhe. Bis auf weiteres krankgeschrieben. Nur am 1. Weihnachtsfeiertag, 25. Dezember 2010, morgens um 10.00 Uhr geht er noch einmal hinein in die altehrwürdigen Gemäuer der evangelischen Kirche St. Benedikt.

Am 1. Weihnachtsfeiertag kommt sowieso sonst niemand mehr. Das hat sich überlebt. Nur noch die alte Hanna, die letzte jener Christen, die jeden Sonntag um 10.00 Uhr mal hier saßen. Sie ist immer noch da. Gelegentlich kommt noch Simeon und setzt sich auf die Empore. Er ist der Letzte aus der Zeit, wo die Frauen noch unten saßen und die Männer oben.
Doch auch wenn sonst keiner mehr da ist - die Kirche steht offen, und es hängt jetzt ein Gebetskreuz am Eingang. Davor kam man eine Kerze anzünden und seinen Dank oder seine Fürbitte aufschreiben und dann an das Kreuz heften. Die Bibel ist aufgeschlagen. Auch steht das Taufbecken noch, sogar mit Wasser drin. Die Altarkerze brennt.

Hanna sitzt in ihrer Bank, immer am gleichen Platz, und betet und wartet und betet. Hape setzt sich neben sie, drückt ihre Hand: "Gesegnete Weihnachten, Frau Samuel". Sie lacht ihn an: "Gesegnete Weihnachten, Herr Pfarrer Levin."
Sie hat ein paar Zettel in der Hand. „Was machen sie da?“ fragt er. „Ich bete. All die Gebete vom Gebetskreuz, damit sie nicht stumm bleiben, lese ich sie laut vor - unserem lieben Herrgott da am Kreuz.. Er kann zwar selber lesen, aber ich glaube es gefällt ihm besser wenn er eine menschliche Stimme hört. Zum Glück sind meine Augen ja noch gut. Können sie heute ein paar Gebetszettel übernehmen. Es sind noch so viele da von Heiligabend.“ „Ja geben sie nur her. Beten wir gemeinsam.“
Da fängt die Glocke an zu läuten. Das Tagzeitengeläut wie jeden Werktag. Heute ist zwar Weihnachtsfeiertag, aber der Küster hat vergessen es abzuschalten. Die große Kirchentür geht auf, und Stimmen mischen sich in den Glockenklang. „Hör ich jetzt schon die Kirchenmäuse, oder was ist das?“ fragt Hanna.

Chor „die Kirchenmäuse“ sing: Hört den Glockenklang

Hape dreht sich um und erblickt Lissi, dahinter ihre Schwester Babsi, und Bernd der Exmann aus Brotloch, Hassan, Jo und Maja. Seine Nichte schiebt den Kinderwagen vor sich her, und darin schläft sie. Schläft und gebietet majestätisch Ruhe.
„Maja“, entfährt es Hape lesie, und er geht auf sie zu.
„Hallo Hape“, strahlt Maja mit dem schönsten Heiligenschein: „Hier ist sie, unsere Ben. Ich hatte mich doch zur Taufe am hohen Feiertag angemeldet, über viel Wasser gehalten habe ich sie schon mal, bei dem halben Meter Neuschnee auf dem Weg hierher, und ihr wolltet doch Paten werden, du und Lissi.“
‚Aber…“, stammelt er verdattert, „Maja …, ich dachte Pfingsten … ich bin jetzt ziemlich überrascht … und außerdem bin ich noch krank geschrieben … und das Taufgespräch und das Dimissorale, die Erlaubnis des Pfarrers deines Wohnortes.“
„Ach Paperlabab“, entgegnet Maja, „du hast mich mal für die heilige Jungfrau Maria gehalten und jetzt soll ich dir ein Dimis… oder irgendsowas herbeibringen. Taufgespräche haben wir ja wohl genug geführt, und wenn du nicht sofort deinen Talar anziehst, dann macht’s halt der Jo: Der ist zwar katholisch aber jeder getaufte Christ kann selber taufen. Wäre mir aber lieber, du machst das - der guten Ordnung halber. Außerdem hat es mich ganz schön Zeit und Nerven gekostet diese Taufgesellschaft hier zusammenzukriegen. Wäre nicht gerade Weihnachten, wer weiß ob es überhaupt geklappt hätte. Diese Dickschädel haben nämlich alles andere im Sinn als Frieden. Bernd und Babsi, die heiligen Rosenkrieger, kennst du ja schon. Für Bernd, den Atheisten, ist es vermutlich seit meiner Taufe das erste Mal, dass er überhaupt wieder in eine Kirche geht. Jo’s Familie ist erzkatholisch. Er will mich aber trotzdem heiraten, auch wenn seine Großmutter sich im Grab herumdreht und Vater und Mutter ihn deswegen gerade exkommuniziert haben. Hasan, der mutmaßliche Erzeuger des Kindes, ist Moslem. Seine Familie hat sich strikt geweigert mit zu kommen, aber nachdem Ben ihn einmal angelächelt hat wollte er sich wohl doch irgendwie zu dem Kind bekennen - so als Urheber…. .Aber vielleicht war’s ja auch gar nicht Hasan, sondern der Engel Gabriel. Er wollte mir jedenfalls nur mal den Koran vorlesen.“

Noch einmal geht die Tür auf, und herein kommen Jo’s Eltern. „Das mach ich jetzt“, sagt Jo und dann zum Rest der anwesenden Menschheit: „Darf ich vorstellen, Oma Antonia und Opa Franz.“
Aber dann macht sich erst mal peinliches Schweigen breit. Eine unsichtbare Wand ist noch dazwischen und verhindert den Händedruck zum Friedensgruß. Bis Opa Franz das Schweigen bricht: „Vielleicht beichten wir es ihnen erst einmal. Wir sind von unserem Sohn massiv unter Druck gesetzt worden. `Entweder ihr sagt Ja zu diesem Weihnachtsgeschenk oder ihr kriegt gar nichts mehr´. Na ja, wir mussten erst einmal gewaltig schlucken. Wir hatten uns eigentlich eine andere Frau für ihn gewünscht. Und dann auch noch mit Kind und nicht mal … Also, das hat schon gewaltig gekracht. Aber wir sind noch mal in uns gegangen. Eigentlich hat er ja auch recht. Es tut uns leid.“ „Ist schon OK“, Jo reicht ihnen die Hand, und sie fallen sich in die Arme. Der Sohn nimmt den verlorenen Vater und die verlorene Mutter wieder auf.

Maja hat mittlerweile Benedicte aus dem Kinderwagen geholt. Glucksend lächelt sie die Taufgesellschaft an und hebt den Arm als wolle sie der anwesenden Welt den Segen Urbi et Orbi erteilen. „Darf ich vorstellen: Benedicte die I., unsere kleine Päpstin“, strahlt Jo. Sie sind sich einig. Es gibt kein besseres Weihnachtsgeschenk.
„Also Herr Pfarrer Hape“, gebietet Maja majestätisch wie die Gottesmutter, „walten sie ihres Amtes und taufen sie Ben.“

„Ben oder Benedicte?“ fragt Hape. Maja legt noch einmal los: „Benedicte, zu deutsch die Gesegnete, aber Ben ist genauso gut und kürzer. Steckt ja in Benedicte schon drin und bedeutet - wie du weißt - der Sohn. Warum soll heutzutage der Sohn Gottes nicht auch ne Tochter sein. Jedenfalls hat sie hier schon mal die Welt zusammengebracht. Sie soll als getaufte Christin groß werden, und ob sie später dazu noch ein Kopftuch trägt oder 'nen Rosenkranz betet kann sie selber entscheiden“.

Dreimal fließt das heilige Wasser über ihre Stirn.

Zu den Fürbitten findet Pfarrer Hape noch die Gebetszettel, die Hanna ihm gegeben hat, und er liest sie jetzt: „Gott, ich danke dir für unser Kind, für die neue Niere, für das neu geschenkte Leben. Danke, dass wir miterleben durften, wie das schwerstkranke Kind sich nach erfolgreicher Transplantation zu einem normalen Säugling entwickelt hat.
Gott, du hast mir ein neues Herz gegeben, ich danke dir für gute Ärzte, für Rettung und Hilfe.
Gott, ich weiß, dass da jetzt auch irgendjemand trauert, weil er ein Kind verloren hat. Lass ihn doch wissen: es lebt, sein Herz schlägt.“
Dann finden sich bei der Krippe auch noch ein paar Weihnachtsplätzchen vom Vorabend, Herzen und Nierenform. Er teilt sie aus: „Das ist mein Leib, mein Leben, mein Frieden - für dich gegeben!“
Zum Schlusssegen nimmt er Ben in seine Arme lobt Gott und spricht: „Herr nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast, denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen.“
„Vielen Dank“ und „war schön bei ihnen“ sagt Hasan noch als sie gehen. „Wenn sie wollen, dann kommen sie doch noch mal vorbei in Mohammeds Dönerbude. Sie gehört meinem Bruder. Salam“. „Salam“ verabschiedet sich Hape „und  Irene  -  Frieden auf Erden“.

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