Gold und Silber habe ich nicht - kloster-hachborn.de

Direkt zum Seiteninhalt
Geist > Kirchweih

Apostelgeschichte 3, 1-10   -  Predigt 26.8. 2012

Petrus aber und Johannes gingen hinauf in den Tempel um die neunte Stunde zur Gebetszeit. Und es wurde ein Mann herbei getragen, lahm von Mutterleibe; den setzte man täglich vor die Tür des Tempels, die da heißt die Schöne, damit er um Almosen bettelte, bei denen, die in den Tempel gingen. Als er nun Petrus und Johannes sah, wie sie in den Tempel hineingehen wollten, bat er um ein Almosen. Petrus aber blickte ihn an mit Johannes und sprach: Sieh uns an! Und er sah sie an und wartete darauf, daß er etwas von ihnen empfinge. Petrus aber sprach: Silber und Gold habe ich nicht, was ich aber habe, das gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi von Nazareth, steh auf und gehe umher! Und er ergriff ihn bei der rechten Hand und richtete ihn auf. Sogleich wurden seine Füße und Knöchel fest, er sprang auf, konnte ge­hen und stehen und ging mit ihnen in den Tempel, lief und sprang umher und lobte Gott. Und es sah ihn alles Volk umher­gehen und Gott loben. Sie erkannten ihn auch, daß er es war, der vor der schönen Tür des Tempels gesessen und um Almosen ge­bettelt hatte und Verwunderung und Entsetzen erfüllte sie über das, was ihm widerfahren war.

Liebe Gemeinde,
eine Spannung liegt von Anfang an über dem Text. Auf der einen Seite die schöne Pforte, der Eingang zum Tempel und damit zum Gottesdienst, und unpassenderweise direkt davor das Elend der Welt in Gestalt eines Lahmen. Dabei werden wir wohl  davon ausgehen können, daß dieser Lahme nicht allein dort saß, sondern auch für viele andere Hilfsbedürftige steht oder besser: sitzt.
Und wer nicht auf eigenen Beinen steht, der durfte auch nicht zu Gott getragen werden. Die schöne Pforte bleibt für die verschlos­sen, die eben nicht schön, sondern unansehlich, elend und damit hilfsbedürftig sind. "Laß keinen Blinden und Lahmen in das Haus", sagte man nach dem 2. Buch Samuel (Sam.5,8), seit der König David in Jerusalem die Blinden und Lahmen erschlagen ließ. Und im 3. Buch Mose heißt es : "Keiner an dem ein Fehler ist, soll herzu treten, um die Speise Gottes zu opfern: Er sei blind, lahm, mit entstelltem Gesicht, mit irgendeiner Mißbil­dung, oder wer einen gebrochenen Fuß oder eine gebrochene Hand hat, oder bucklig oder verkümmert ist oder einen weißen Fleck im Auge hat, oder Krätze oder Flechten oder beschädigte Hoden". Die Konzeption des Tempels als ausgegrenzter heiliger Raum, als ein Stück heiler Welt mitten im Unheil, verhinderte die Behinderten. Bei Gott im Tempel war also auch für den Lahmen  nichts zu holen, außer einem Hausverweis. Wem so "Trost und Hilfe ermangeln muß", der muß  sich eben mit Almosen zufrieden geben. Das war nun also der Beruf des Lah­men und die Vorübereilenden kamen ihrer frommen Pflicht zur Diakonie nach in Form von Geld, von Silber und Gold.
Wer in die Kirche geht, von dem erwartet man, daß er auch mildtätiger ist als andere, und an des Pfarrers Tür klingeln sie häufiger: Jene, die auf einen kleinen Beitrag zum Lebensunterhalt an­gewiesen sind. Dann stehen sie also vor der schönen Pforte des Pfarrhauses, und ich gebe dem Mann auf der Durchreise ein paar Mark und manchmal ein wenig Arbeit, sofern ich sie habe, und er zieht danach weiter zur nächsten schönen Pforte in Mit­telbuchen. Wir sind eben von Berufs wegen zur Mildtätigkeit verpflichtet und belassen es ja auch nicht bei der spontanen mil­den Gabe, sondern organisieren die Hilfe; von der Ökumenischen Nichtseßhaftenhilfe bis zu Brot für die Welt.
Und doch geht es mir meist wie Nietzsche mit den Bettlern: "Man gibt oder man gibt nicht, man hat immer ein schlechtes Gefühl dabei." Denn soviel kann man ja aus dem Predigttext des heutigen Sonntages gewiß lernen: Mit Gold und Silber allein läßt sich das Elend der Welt nicht beheben, das da unpassenderweise direkt vor der Kirchen­tür sitzt, und von uns als Christen besondere Hilfe erwartet. Was sollen wir tun?
Wenden wir unseren Blick mit Petrus und Johannes zu denen draußen vor dem Tor, und die Problematik wirklich hilfreicher Hilfe tritt sofort ins Auge:
1. Zu wem denn den Blick wenden? Es ist ja eben nicht nur der Lahme von Mutterleib an, der  vor der schönen Pforte sitzt. Es sind eine Unzahl von Menschen, denen es an irgendetwas fehlt: Blinde, Lahme, Strafentlassene, Flüchtlinge, Hungernde, Ob­dachlose; die Liste könnte endlos werden. Wem ins Angesicht blicken? Wo denn anfangen? Die Menge des Elends, die Einsicht, daß jede Hilfe nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist, kann so lähmend wirken, daß wir innerlich dem Lah­men vor dem Tore zu gleichen beginnen.
Es ist ja nicht von vorneherein ausgemacht, daß bei dem Blick von Angesicht zu Angesicht der Lahme gläubig wird und sein Wunder erlebt. Es kann bei diesem Blick in die Tiefe der Glaube auch lahm werden, um dann also anschließend nur noch mit gebrochener Seele vor der Tür zu sitzen, wo man das Lob Gottes zwar noch von ferne singen hört, aber selbst nicht mehr laut miteinstimmen kann.
2. Hat man sich dann aber entschieden, dem Lahmen ins Gesicht zu sehen, so erblickt man dort die ganze Zwiespältigkeit einer möglichen Hilfe. Es ist  nicht so, wie man  oberflächlich vielleicht vermuten könnte, daß der Lahme nur den Wunsch hatte, gehen zu können. Er hatte zugleich auch vor nichts mehr Angst, als plötzlich laufen zu können. Denn was kommt danach?
Jetzt war alles geregelt.Er hatte seine Leute, die ihn tagtäglich hierher brachten. Er hatte einen guten Platz, und wenn er auch nicht gerade reich dabei wurde, so hatte er in dem Beruf des Bettlers sein Auskommen. Man kennt ihn. Unter denen, die tagtäglich hier ein- und aus­gehen oder mit ihm um milde Gaben betteln, hat er vielleicht auch ein paar Freunde. So kommt es, daß jeder Cent, den er bekommt, daß jeder Träger, der ihn am Morgen an seinen Platz und abends wieder in sein Haus brachte, gleichzeitig mit dieser Hilfe, die Gesundung der Beine verhindert. Auf den eigenen Beinen zu stehen, heißt für ihn auch, vor dem Nichts zu stehen. Denn er hat nichts gelernt, außer Betteln. Diese Möglichkeit wird ihm genommen, wenn er in aller Öffentlichkeit auf seinen eige­nen Beinen herumläuft, wie das nachher berichtet wird.
Wer garantiert ihm , daß es für diese beiden Apostel nicht bloß eine hervorragende Werbung ist, wenn sie ihn auf die Beine stellen. Mit solchen Wundern ließen sich auch damals  hervorragend Geschäfte machen. Doch wer küm­merte sich anschließend noch um ihn, um seine Situation. Die Helfer hätten  ihren Triumph gehabt, dem armen Lahmen aber ging es am Ende übler als zuvor.
Von einer Missionarin in Botswana wurde mir erzählt, daß sie, beseelt von dem Wunsch, anderen zu helfen, keinen Menschen von ihrer Tür abwies, sondern stets gab, was sie hatte. Der Erfolg war, daß sie mehr und mehr in Schulden geriet und eine Reihe Leute es nicht mehr für nötig hielten, sich um Arbeit zu bemühen, waren sie doch durch diese Missionarin so wunderbar versorgt. Diese Menschen waren am Ende maßlos enttäuscht, als ihre Missionarin zahlungsunfähig geworden war. Sie hatten kein Verständnis dafür, daß das, was all die Jahre so prima geklappt hatte, nun nicht mehr gehen sollte.
Wer dem Elend der Welt ins Angesicht sieht, der merkt wohl, welcher Abgrund sich hier auftut und wie der Versuch, ihn mit menschlichen Mitteln zu schließen, die Kluft oft nur vergrößert.
Manchmal scheint es, als ob ein Bann über dieser Welt liegt, so wie in Goethes Zauberlehrling und die Not, mit nichts zu stopfen ist, als mit dem richtigen Wort; dem Zauberworte, das dem Spuk ein Ende macht. Doch, wer kennt dieses Wort, das etwas ausrichtet gegen den Bann?
"Gold und Silber habe ich nicht, was ich aber habe, das gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi von Nazareth, steh auf und gehe um­her." So heißt dieses wunderwirkende Wort bei den Aposteln, oder zumindest in der Geschichte des Lukas.
Die Apostelgeschichte gibt einen Hinweis, woher einerseits das erlösende Wort, das den Gelähmten auf die Beine bringt, stammt, und woher andererseits auch der Mut der Apostel stammt, dieses Wort dem Elenden ins Angesicht zu sa­gen.
Die Apostelgeschichte erzählt im Kapitel zuvor von der Ausgießung des Heiligen Geistes.
Dieser Geist hat den Namen Jesu Christi. Es ist der Geist ihres Gottes, es ist seine Geistesgegenwart, die sie auf das richtige Wort bringt.
Es ist das, was wir heute der Welt im Namen Jesu Christi vor allem schuldig sind: Geistvolle Worte - Worte, in denen spürbar wird, daß wir der Wirklichkeit dieser Welt ins Angesicht schauen und ihre Lage sehr wohl erfassen, daß wir diesen Blick auch aushalten, ohne uns schnell mit ein paar hingeworfenen Euro aus dem Staub zu machen. Worte des Glaubens an eine andere Welt, die den Mut geben, sich auf die Beine zu machen. Worte,die Vertrauen stiften. Worte, in denen spürbar wird: Es geht nicht darum, daß ich der tolle Helfer bin und du das Opfer: Es geht auch nicht darum, daß ich mich interessant machen kann, als Wundertäter auf Kosten eben derer, denen eigentlich geholfen werden sollte. Die Geschichte zielt auf das ge­meinsame Lob Gottes mit denen draußen vor dem Tor. Dass dieses in den heiligen Hallen wohl doch etwas ungewohnt geklungen ha­ben muß, so daß es zu Verwunderung und Entsetzen kommt wird berichtet. Vielelicht führlen sich auch manche durch diesen Auftritt in ihren relgiösen Gefühlen verletzt. Es geht ihnen wie der russischen Frauenpunkband pussy riot, sie werden für diesen Auftritt im Tempel erst mal verhaftet, aber sie sind sich ihrer Sache sicher. Wer etwas vom Elend und vom Heil der Welt gesehen kann es nicht lassen davon zu reden auch wenn er leiden muss. Da bleibt nichts beim Alten. Da wird es spannend. Da entsteht eine neue Gemeinschatt, die sich im Lob Gottes verdichtet.

Lassen Sie uns  singen ...

Die Auferstehung des Fleisches - 2008
Predigt  über Apg. 3 zum 20jährigen Jubiläum der Gymnastikgruppe  am 17.8.2008 (Sonntag nach der Kirchweih)

Liebe Schwester und Brüder
Gleich nach der "Kerb", dem Geburtstag der Kirche, mit 3000 Leuten wird in der Apostelgeschichte von der ersten christlichen „Gymnastikgruppe“ berichtet. Da sind wir an diesem Sonntag also genau richtig mit der Jubiläumsfeier-
Apostelgeschichte Kapitel 1 – das ist die Himmelfahrt, der Abschied von Jesus; Kapitel 2: ein begeisterndes Fest mit Predigt und Taufe, vor allem aber gemeinsamen Essen und Trinken, dem Lob Gottes und der Freude am Leben.
Das nächste Kapitel:
 Apg. 3,1 – 10
Petrus aber und Johannes gingen hinauf in den Tempel, um die neunte Stunde zur Gebetszeit. Und es wurde ein Mann herbei getragen, lahm von Mutterleibe; den setzte man täglich vor die Tür des Tempels, die da heißt die Schöne, damit er um Almosen bettelte, bei denen, die in den Tempel gingen. Als er nun Petrus und Johannes sah, wie sie in den Tempel hineingehen wollten, bat er um ein Almosen. Petrus aber blickte ihn an mit Johannes und sprach: Sieh uns an! Und er sah sie an und wartete darauf, dass er etwas von ihnen empfinge. Petrus aber sprach: Silber und Gold habe ich nicht, was ich aber habe, das gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi von Nazareth, steh auf und gehe umher! Und er ergriff ihn bei der rechten Hand und richtete ihn auf. Sogleich wurden seine Füße und Knöchel fest, er sprang auf, konnte ge­hen und stehen und ging mit ihnen in den Tempel, lief und sprang umher und lobte Gott. Und es sah ihn alles Volk umher­gehen und Gott loben. Sie erkannten ihn auch, dass er es war, der vor der schönen Tür des Tempels gesessen und um Almosen ge­bettelt hatte und Verwunderung und Entsetzen erfüllte sie über das, was ihm widerfahren war.

Liebe Schwestern und Brüder,
eine Spannung liegt von Anfang an über dem Text. Auf der einen Seite die schöne Pforte, der Eingang zum Tempel und damit zum Gottesdienst, und unpassenderweise direkt davor das Elend der Welt in Gestalt eines Lahmen.  Dabei muss man wohl davon ausgehen, dass dieser Lahme nicht allein dort saß, sondern in unserer Geschichte stellvertretend für viele steht, die nicht mehr auf die Beine kommen
Und wer nicht auf eigenen Beinen steht, der durfte auch nicht zu Gott getragen werden. Die schöne Pforte des Tempels bleibt für die verschlossen, die nicht schön, sondern unansehnlich, elend und damit hilfsbedürftig sind. "Lass keinen Blinden und Lahmen in das Haus", sagte man nach dem 2. Buch Samuel (Sam.5,8), seit der König David in Jerusalem die Blinden und Lahmen erschlagen ließ. Und im 3. Buch Mose heißt es : "Keiner an dem ein Fehler ist, soll herzu treten, um die Speise Gottes zu opfern: Er sei blind, lahm, mit entstelltem Gesicht, mit irgendeiner Missbildung, oder wer einen gebrochenen Fuß oder eine gebrochene Hand hat, oder bucklig oder verkümmert ist oder einen weißen Fleck im Auge hat, oder die Krätze oder Flechten oder beschädigte Hoden". Die Konzeption des Tempels als heiliger Raum, als ein Stück heiler Welt mitten im Unheil, verhinderte die Behinderten.
Der Priester, der im Evangelium des heutigen Sonntags an dem unter die Räubergefallen vorbeiläuft, der da nackt und blutig geschlagen im Straßengraben liegt, der kann als Entschuldigung anführen, dass er als heilige Person eben nicht mit soviel  Dreck in Berührung kommen durfte. Der Levit genauso. Da muss erst so ein barmherziger Ausländer kommen, der sich nicht scheut, sich die Hände schmutzig zu machen.
In den  Tempeln der Antike, nein da war für den Lahmen  nichts zu holen, außer einem Platzverweis. Wer so draußen bleiben muss wie ein Hund, der muss sich mit Almosen zufrieden geben. Das war nun also sein Los: an der schönen Pforte sitzen und betteln. und die Vorübereilenden kommen ihrer frommen Pflicht zum Almosen nach und  geben in Form von Geld, von Silber und Gold.
Doch von oben herab auf fremdes Leid blicken und Almosen geben  ist das eine, sich zu dem Lahmen hinabbeugen, ihn aufrichten und ihn mitnehmen in das Allerheiligste einer Gemeinschaft, das ist etwas anderes.
Darin sind sich die olympischen Götter mit dem Ideal ewiger Jugend, der Priester und Levit im alten Israel und Allah im Koran einig: Gott leidet nicht wirklich. Dieser Gott kann vielleicht sonst alles, aber er kann nicht sterben.
Eine Religion, die auf einen unsterblichen Gott baut, kennt dann zwar auch die Hilfe für die Armen als ein gutes Werk. Da fließt manchmal auch ganz viel Geld, Gold und Silber für die Bettler, für die Unterschicht, ja  manchmal gar für ganze Länder, die draußen vor den  Toren sind. Doch gleichzeitig baut man Mauern und Grenzanlagen, damit sie nicht rein kommen.
Geld allein hilft dem Lahmen nicht wirklich auf die Beine. Manchmal zementiert es  sogar die Armut. Da ist es dann auch eine Chance, kein Silber und kein Gold zu haben, aber einen Gott, der die Menschen berührt, ein Gott der sich ganz und gar mit Haut und Haaren auf ein Menschenleben einlässt. Ein Gott, der selbst unter die Räuber fällt und zwischen zwei Verbrechern stirbt. Ein Gott, dessen Allmacht darin besteht zu bitten und zu betteln: Geh nicht vorüber, schau mich an.
So verkündet Petrus im Tempel in den nächsten Versen einen heruntergekommen Gott, der zur Hölle gefahrenen ist: „Christus musste leiden, sterben und wurde wieder auferweckt.“ Das ist sein Zeugnis. Als lebendiger Kommentar steht dieser geringste Bruder daneben: der Lahme, den sie auf die Beine gestellt haben. Wer genau hinsieht, der erblickt in diesem geringsten Bruder den im Fleisch wiederauferstandenen Jesus Christus - „was ihr getan habt einem unter meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“
So also feiert das Fleisch fröhliche Auferstehung im Tempel.
Gott im Fleisch – nur die Hüter der Religion haben damit  ein Problem.  Ziehen die Apostel Jesu Christi das Heilige in den Schmutz?  Petrus und Johannes  werden vom "Küster" – der Tempelwache - verhaftet und müssen sich vor dem Hohen Rat verantworten. Der verbietet ihnen, dem verstorbenen Jesus Christus ihre Stimme zu leihen oder auch die Beine. Sie sollen nicht mehr in seinem Namen reden, sonst – so  drohen sie – könnten sie auch sein Schicksal erleiden.
Die Auferstehung des Fleisches – „den Juden ein Ärgernis, den Griechen eine Torheit“. Es geht im Christentum eben nicht nur um platonische Liebe, es geht auch um „sex bomb“, die Freude und Lust am Fleisch.
Da hat Tom Jones die christliche Tradition besser bewahrt als jene, die im  vergangenen Jahrhundert das Fleisch aus dem Credo entfernten.
Die Älteren haben das ja im Konfirmandenunterricht noch richtig gelernt: Da hieß es noch von Jesus: „niedergefahren zur Hölle“ und bei Heiligen Geist und Kirche: Ich glaube an die „Auferstehung des Fleisches“. So steht es auch im griechischen und lateinischen Original, so hat es Martin Luther übersetzt, bis 1971 die evangelische Kirche das Fleisch der Ökumene geopfert hat – und nun haben wir den Salat: Eine fleischlose Kirche, die ein Bild gepflegter Langeweile vermittelt.
Aus der Höllenfahrt Christi im Credo hat man dann auch dementsprechend einen harmlosen Abstieg „in das Reich der Toten“ gemacht.
Da ist „sex bomb“ vielleicht auch eine Antwort des Himmels, und die Gymnastikgruppe erweist sich als gute Form eines christlichen Frauenkreises. Schließlich sorgt ihr dafür, dass der Körper erst gar nicht lahm wird, sondern fit bleibt für ein gutes Leben.
Es ist auch bei weitem nicht nur der Leib, der da Mittwoch für Mittwoch gut durchblutet wird. Auch die Seele kommt auf ihre Kosten. Ihr schreibt selbst über diese Gemeindegruppe:
„Zdena Steffen führte die Damen in die Geheimnisse der Körperertüchtigung ein. Nicht nur der gesunde Aspekt gefiel Ihnen, sie hatten in der Gruppe auch viel Spaß. Inzwischen hat sich die Teilnehmerzahl verdreifacht. Es herrscht ein gutes Klima, die Teilnehmerinnen treffen sich nicht nur zum Turnen, sondern sie organisieren ebenso gemeinsame Aktivitäten. Dazu gehören das Heringsessen am Aschermittwoch, Wanderungen oder Spaziergänge in der Umgebung, wenn der Übungsraum anderweitig vergeben ist. Es gibt zum Beispiel Zwiebelkuchenessen zu Erntedank und natürlich auch eine Weihnachtsfeier. Sehr beliebt war auch die ab 1996 angebotene Fasten - Gymnastik, die unter dem Motto „Sieben Wochen mit“ stand. Und da kann jeder mitmachen.“
Fastengymnastik in der Passionszeit – das erinnert daran, dass unser Leib und auch unser Geist etwas Vergängliches ist. „Es geht alles vorüber es geht alles vorbei…“ haben wir am Kerbmontag gesungen. Es kommt die Zeit, wo der Leib nicht mehr will, der Geist sich auflöst. Manchmal ist es eine Krankheit, manchmal das vorgeschrittene Alter  und dann ist es die Frage. Bist du jetzt nur noch Alteisen oder trägt dich gerade jetzt diese Gemeinschaft zu einem neuen Leben?
Der Lahme an der schönen Pforte hat genauso wenig etwas an sich von einer „sex bomb“ wie der unter die Räuber Gefallene, den der Samariter pflegt.  Beides sind keine schönen Existenzen mehr. Aber beide mal sieht ein Mensch, sehen zwei Menschen da mehr als das Sichtbare. Beide Mal packen Hände zu und schenken einem schon Verlorenen neues Leben.
Christliche Diakonie entsteht. Menschen sind füreinander da, helfen und tragen einander, gerade weil sie wissen, was es heißt Spaß am Leben zu haben. „Sex bomb“ - wenn die Gymnastikgruppe da weiter zu tanzt, dann muss du das gar nicht mehr selber sein, ja, dann musst du noch nicht mal mehr mittanzen können, aber du kannst dich mit freuen, dass der Tanz weiter geht, dass andere nun die Aufgabe übernehmen und wenn es denn sein muss, dann tragen sie dich auch noch zur letzten Stunde des Abschieds hierher und stellen dich in die Mitte der Kirche – dort wo jetzt das Taufbecken steht.
Das ist Gemeinde der Heiligen.
Immerhin seit gut 15 Jahren erlaubt die evangelische Kirche ja wieder die Aufbahrung der Toten hier im Gotteshaus. Zumindest in Wachenbuchen können Sie auf dem Kirchhof bleiben für immer, dem Ort, zu dem man gelangt, wenn man die schöne Pforte, das große Tor am historischen Rathaus durchschritten hat.

Ich glaube an die Auferstehung des Fleisches:
Es spielt dabei keine Rolle, ob dem Gelähmten nun ganz mirakulös in Sekunden Muskeln gewachsen sind, oder ob Petrus und Johannes ihm erstmal ihre Beine geliehen haben und mit ihm durch den Tempel laufen als wären’s die seinen und der Rest an Muskelaufbau und Fitness kommt dann später durch Reha und christliche Gymnastikgruppe.
So oder so - er kann jedenfalls für diesen Augenblick seine Behinderungen vergessen und einfach nur dabei sein, als ein Mensch, einfach ein Mensch auf Augenhöhe mit den anderen Menschen. Getragen von der Gemeinschaft der Kirche und - wie die Geschichte berichtet - gerade so eine besondere Quelle der Freude,  des Trostes und der Hoffnung.
 

Zurück zum Seiteninhalt